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2001
Das Verhältnis der Baubewilligung zu den privaten Rechten
(erschienen in: Wohnwirtschaft, Hauseigentümerverband Aargau, Nr. 5, Mai 2001)

2001
Die Haustiere aus nachbarrechtlicher Sicht (erschienen in: Wohnwirtschaft, Hauseigentümerverband Aargau, Nr. 10, Oktober 2001)

2002
Dissertation „Rauchen am Arbeitsplatz“ (erschienen in: Schriften zum schweizerischen Arbeitsrecht, Heft 57, Bern 2002)

2002
Liebeslaute aus der Nachbarschaft und Nachbarschaftspolizisten (erschienen in: Wohnwirtschaft, Hauseigentümerverband Aargau, Nr. 6/7, Juni/Juli 2002)

2002
Was tun, wenn der Handwerker seine Arbeit am Gebäude nicht richtig ausführt? (erschienen in: Wohnwirtschaft, Hauseigentümerverband Aargau, Nr. 12, Dezember 2002)

2003
Die Durchsetzung von Ansprüchen aus einem Werkvertrag mit einem Bauhandwerker (erschienen in: Wohnwirtschaft, Hauseigentümerverband Aargau, Nr. 3, März 2003)

2003
Die Ausweisung eines Mieters (erschienen in: Wohnwirtschaft, Hauseigentümerverband Aargau, Nr. 9, September 2003)

2005
Bauen und Renovieren (im Aargau) (erschienen in: Aargauer Wirtschaft, Aargauischer Gewerbeverband, Nr. 8, November 2005) www.agv.ch/aktuell/wirtschaft/archiv/nov05.pdf

2006
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Nichtraucherschutz, Besprechung von BGE 132 III 257, I. Zivilabteilung, Urteil vom 8. Februar 2006 (4C.354/2005) (erschienen in: Zeitschrift für Arbeitsrecht und Arbeitslosenversicherung / Revue de droit du travail det d'assurance-chômage (ARV/DTA), 2006, S. 181 - 183)

2015
Die Ausweisung des Mieters (erschienen bei der WEKA Business Media AG,ISBN: 978-3-297-00602-3 )


Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Nichtraucherschutz


Besprechung von BGE 132 III 257, I. Zivilabteilung, Urteil vom 8. Februar 2006 (4C.354/2005)

 I. Sachverhalt

1. Ausgangslage

A. (Kläger) arbeitete seit dem 1. Oktober 2001 für

die B. AG (Beklagte) als Versuchsmechaniker. Der

Kläger litt und leidet noch immer an einer schweren

Rauchallergie. In den Räumlichkeiten der Beklagten

bestand ein Rauchverbot in allen Räumen, mit

Ausnahme des Sitzungszimmers und der Gänge. Mit

Klage an das Arbeitsgericht Zürich vom 17. Februar

2003 verlangte der Kläger die Durchsetzung eines

umfassenden Rauchverbotes in allen Räumen seiner

Arbeitsumgebung. Am 7. April 2003 kündigte

die Beklagte das Arbeitsverhältnis «ordentlich per

30. Juni 2003». Auf Verlangen des Klägers begründete

sie am 2. Juni 2003 die Kündigung damit, dass sie

für die Stelle des Klägers einen besser geeigneten

Arbeitnehmer gefunden habe.

2. Prozessgeschichte

Nachdem A. die Kündigung zugegangen war, änderte

er mit Eingabe vom 17. Juni 2003 seine Begehren

und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung

wegen missbräuchlicher Kündigung gemäss Art. 336a

OR im Umfang von zwei Monatslöhnen. Das Arbeitsgericht

Zürich wies die Klage am 19. April 2005 ab.

Gleich entschied auf Berufung des Klägers das Obergericht

des Kantons Zürich mit Beschluss vom 5. September

2005. Nach Auffassung der kantonalen Instanzen

war die Kündigung nicht missbräuchlich, da

die Beklagte ihren Fürsorgepflichten hinreichend

nachgekommen sei, indem in allen Räumen, die der

Kläger während der Arbeit aufsuchen musste, mit

Ausnahme des Sitzungszimmers ausserhalb der Sitzungen

und der Gänge, ein Rauchverbot galt. Der

Kläger beantragte dem Bundesgericht mit eidgenössischer

Berufung, den Beschluss des Obergerichts

aufzuheben. Das Bundesgericht hiess die Berufung

gut und wies die Streitsache an die kantonale

Instanz zurück. Es hielt fest, dass nicht feststehe, ob

ein generelles Rauchverbot in den Gängen und dem

Sitzungszimmer die durch die Rauchallergie bedingten

Absenzen des Klägers verhindert hätte und der

Beklagten zuzumuten gewesen wäre.

II. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

1. Art. 328 OR

In Erwägung 5 des zitierten Entscheides befasst sich

das Bundesgericht eingehend mit der aus Art. 328

OR abgeleiteten allgemeinen Fürsorgepflicht des

Arbeitgebers. Es hält fest, dass aus dieser allgemeinen

Fürsorgepflicht bereits vor der Einführung spezifischer

Vorschriften zum Schutze vor Passivrauchen

in der Lehre abgeleitet wurde, dass Arbeitnehmer

einen Anspruch auf ein Rauchverbot hätten. Dies

habe selbst dann gegolten, wenn ein Rauchverbot

aus betrieblichen Gründen nicht erforderlich gewesen

sei. Mit der heute geltenden Fassung von Art.

328 OR erfolgte eine Angleichung an die entsprechenden

Bestimmungen des öffentlichen Rechts

(insbesondere Art. 6 Abs. 1 ArG und Art. 82 UVG),

womit zum Ausdruck kommt, dass es sich um eine

einheitliche Pflicht handelt. Gemäss dem Bundesgericht

sind daher Art. 6 Abs. 1 ArG und der gestützt

darauf erlassene Art. 19 ArGV 3 zur Konkretisierung

von Art. 328 Abs. 2 OR heranzuziehen, wenn das

Arbeitsverhältnis nicht dem Arbeitsgesetz untersteht

und dessen Bestimmungen im Rahmen von Art. 342

Abs. 2 OR nicht direkt Anwendung finden.

2. Art. 6 ArG und Art. 19 ArGV 3

Gemäss dem gestützt auf Art. 6 ArG erlassenen Art.

19 ArGV 3 hat der Arbeitgeber im Rahmen der

betrieblichen Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass

die Nichtraucher nicht durch das Rauchen anderer

Personen belästigt werden. Wie der Titel „Nichtraucherschutz

» anzeigt, sollen mit dieser Bestimmung

Nichtraucher und Nichtraucherinnen vor Belästigungen

durch Passivrauchen bewahrt werden. Das

Bundesgericht hielt in Übereinstimmung mit der Vorinstanz

fest, der Schutzbereich umfasse auch die

subjektive Empfindung der Belästigung und damit

mehr als die blosse Gesundheit und das entsprechende

Risiko. Die Schutzmassnahmen des Arbeitgebers

sollten jedoch den Betriebsablauf und das Arbeitsklima

im Betrieb nicht beeinträchtigen und keine

Diskriminierung der Raucherinnen und Raucher darstellen.

Die Verhängung eines Rauchverbotes sei

aber stets zulässig, sofern es der Betriebssicherheit

oder dem Schutz des Nichtrauchers diene.

3. Die Fragestellung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht stellte sodann fest, dass im zu

beurteilenden Fall weder der allgemeine Schutz vor

dem Passivrauchen noch der generelle Schutz des

Arbeitnehmers vor der Belästigung durch Tabakrauch

zur Debatte stehe. Vielmehr gehe es darum, den voraussehbaren

Ausbruch der Rauchallergie und damit

den Eintritt einer Gesundheitsschädigung des gegen

Rauch allergischen Arbeitnehmers zu verhüten. In

diesem Zusammenhang können gemäss dem Bundesgericht

weiter gehende Massnahmen gerechtfertigt

erscheinen als in Bezug auf den Schutz gewöhnlicher

Nichtraucher.

III. Der Nichtraucherschutz

1. Ein totales Rauchverbot nur in

Ausnahmefällen?

Die Ausführungen des Bundesgerichts lassen den

Schluss zu, dass es ein generelles Rauchverbot in

einem Betrieb als Ausnahme ansieht und auch nur in

Ausnahmefällen als gerechtfertigt erachtet. Obwohl

im zu beurteilenden Fall der Betrieb der Beklagten

mit Ausnahme der Gänge und des Sitzungszimmers

rauchfrei war, hielt es fest, massgeblich für die Verhängung

eines (noch) weiter gehenden Rauchverbotes

sei, ob das zum Schutze des Klägers Notwendige

nach dem Stand der Technik realisierbar und der

Beklagten unter Berücksichtigung der gesamten

Umstände billigerweise zumutbar sei. Das Bundesgericht

ging davon aus, die Vorinstanz habe diese

Rechtslage verkannt, indem sie annahm, die Beklagte

sei mit dem angeordneten Rauchverbot ihrer Fürsorgepflicht

hinlänglich nachgekommen, obwohl

feststehe, dass der Kläger als Allergiker wegen der

verbleibenden Rauchimmissionen gesundheitlich

derart beeinträchtigt war, dass er verschiedentlich

der Arbeit fernbleiben musste. Dies könne nur

bedeuten, dass die getroffenen Massnahmen zum

Schutze der Gesundheit des Arbeitnehmers objektiv

nicht genügten. Nach dem bereits Gesagten ist es

aber auch so, dass ein Arbeitnehmer nicht durch das

Rauchen anderer Personen belästigt werden darf,

sofern dies im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten

realisierbar ist. Dies ergibt sich bereits aus dem

Gesetzeswortlaut, d.h. Art. 19 ArGV 3 (Roger Baumberger,

Rauchen am Arbeitsplatz, Diss. Zürich 2002,

62, 92 ff.). Damit spielt es keine entscheidende

Rolle, ob ein Arbeitnehmer eine Rauchallergie hat

oder nicht. Ein totales Rauchverbot – im vorliegenden

Fall also auch in den Gängen und im Sitzungszimmer

– wäre selbst dann gerechtfertigt, wenn der

betroffene Arbeitnehmer keine Rauchallergie hätte,

sondern sich durch den Rauch in den fraglichen Räumen

«nur» belästigt fühlen würde. Da es um ein

Rauchverbot in den Gängen und im Sitzungszimmer

ging, stellt sich auch nicht die Frage, ob die notwendigen

Schutzmassnahmen nach dem Stand der Technik

realisierbar und der Beklagten zumutbar waren.

Die Verhängung des totalen Rauchverbotes erfordert

keine zusätzlichen technischen Massnahmen und ist

der Beklagten zumutbar. Unabhängig von der Frage,

ob ein Arbeitnehmer aufgrund des Passivrauchens

gesundheitlich geschädigt oder «bloss» belästigt

wird, hat der Arbeitgeber in den Räumen ein Rauchverbot

zu erlassen, in denen sich der fragliche

Arbeitnehmer aufhält bzw. aufhalten muss.

2. Diskriminierung der Raucher?

Das Bundesgericht tangiert in seinem Entscheid die

Frage der Diskriminierung der Raucherinnen und

Raucher im Falle des Ergreifens von Schutzmassnahmen

zugunsten der Nichtraucher, d.h. im Falle der

Verhängung eines totalen oder partiellen Rauchverbotes.

Die Raucher sind als Minderheit nicht

geschützt. Eine Schlechterstellung ist trotz des

arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes

möglich, sofern sie nicht willkürlich ist und sachliche

Gründe dafür vorliegen (Roger Baumberger,

a.a.O., 48 ff.; Louis A. Capt, Passivrauchen am

Arbeitsplatz, Diss. Zürich 1982, 16). Die drohende

Gesundheitsschädigung oder auch die Belästigung

stellen in jedem Fall einen sachlichen Grund für eine

Schlechterstellung des Rauchers dar und ergeben

sich bereits aus dem Gesetz als Grundlage für ein

Rauchverbot. Sofern ein Nichtraucher sich tatsächlich

belästigt fühlt oder gar durch den Rauch

gesundheitlich geschädigt wird, ist die Verhängung

eines Rauchverbotes und somit die Schlechterstellung

der Raucher auch nicht willkürlich. Unter diesen

Umständen kann im Falle der Verhängung eines

Rauchverbotes nicht von einer Diskriminierung der

Raucher gesprochen werden. Im Übrigen wäre eine

Diskriminierung bereits schon dann zu verneinen,

wenn den Rauchern für die Pausen eine «angemessene

Rauchgelegenheit», sei dies ein separater Pausenraum

oder eine bestimmte Zone ausserhalb der

Räumlichkeiten des Arbeitgebers, zur Verfügung

gestellt wird.

3. Unterscheidung von «Nichtraucher»

und «Rauchallergiker»

Im erwähnten Bundesgerichtsentscheid war der Kläger

nicht ein «gewöhnlicher» Nichtraucher, sondern

ein «Rauchallergiker». Aus dem Entscheid geht nicht

hervor, wie sich diese Rauchallergie äusserte, jedoch

wird ersichtlich, dass der Arbeitnehmer zufolge der

Allergie immer wieder der Arbeit fernbleiben musste.

Folglich stellte der Rauch für den Kläger nicht eine

Belästigung, sondern einen seine Gesundheit schädigenden

Faktor dar. Einigermassen erstaunlich ist es

nun, wenn das Bundesgericht festhält, es stelle sich

weder die Frage des «allgemeinen Schutzes vor dem

Passivrauchen» noch die Frage des «generellen

Schutzes vor der Belästigung des Tabakrauches». Es

beschäftigt sich allein mit der Frage, wie der «voraussehbare

Ausbruch der Rauchallergie und damit

der Eintritt einer Gesundheitsschädigung» vermieden

werden kann. Damit erweckt das Bundesgericht

den Eindruck, dass ein Rauchallergiker gegenüber

einem «gewöhnlichen» Nichtraucher in einem erhöhten

Masse zu schützen sei. Trotzdem stellt es sich

nicht auf den Standpunkt, dass der Erlass eines

generellen Rauchverbotes im Betrieb der Beklagten

zulässig ist, sondern weist den Fall zurück an die

Vorinstanz, damit diese überprüfen kann, ob der

Erlass eines Rauchverbotes in den Gängen und im

Sitzungszimmer im konkreten Fall technisch machbar

und für die Beklagte zumutbar sei. Es ist zwar zu

begrüssen, dass das Bundesgericht davon ausgeht,

dass ein gesundheitlich vorbelasteter Arbeitnehmer

unter den gegebenen Umständen einen höheren

Schutz verdient als die anderen Arbeitnehmer; es ist

jedoch problematisch, dass das Bundesgericht –

trotz des klaren Gesetzeswortlautes – nicht der Meinung

ist, dass ein Nichtraucher generell vor dem Passivrauchen

zu schützen ist. Insofern wird der

Rauchallergiker gegenüber dem gewöhnlichen Nichtraucher

besser gestellt.

IV. Fazit

Das Bundesgericht leitet offensichtlich aus der Fürsorgepflicht

des Arbeitgebers bzw. Art. 328 OR und

Art. 6 ArG i.V.m. Art. 19 ArGV 3 keinen Anspruch des

Nichtrauchers auf einen vollständig rauchfreien

Arbeitsplatz – inklusive aller von ihm benutzten

Nebenräume – ab. Es bejaht diesen Anspruch selbst

dann nicht vorbehaltlos, wenn ein Arbeitnehmer

unter einer Rauchallergie leidet und durch das Passivrauchen

teilweise seiner Arbeit gar nicht mehr

nachgehen kann. Es ist zu hoffen, dass das Bundesgericht

seine Ansicht ändert und den sich aus der

Fürsorgepflicht ergebenden Anspruch auf einen vollständig

rauchfreien Arbeitsplatz bejaht, ansonsten

der gewöhnliche Nichtraucher weiterhin auf den

Goodwill des Arbeitgebers angewiesen ist und nicht

einen rauchfreien Arbeitsplatz verlangen kann.